Vor einer Woche war ich noch bei gar keiner Lesung und jetzt hatte ich schon meine zweite Lesung in nur einer Woche. Ich mache Fortschritte. ;)
Gestern Abend war ich nämlich bei der Lesung von Sebastian Fitzek zu seinem neuen Psychothriller „Der Insasse“ im Rahmen des Braunschweiger Krimifestivals. Fitzek hat im Staatstheater gelesen und es war ausverkauft. Insgesamt 900 Personen waren anwesend.
Ich möchte euch, wie schon bei der Lesung von Chris Carter, wieder einen Einblick in die Lesung bieten, ohne jedoch alles davon exakt wiederzugeben. Auch möchte ich nicht jedes Detail verraten, weil ich mir nicht sicher bin, inwiefern Fitzek die Inhalte seiner Lesung von Stadt zu Stadt variiert. Anders als bei Chris Carter gab es nämlich keinen Moderator oder Interviewer. Sebastian Fitzek war demnach Alleinunterhalter auf der Bühne. Ich finde das ehrlich gesagt ganz schön heftig, dass das so scheinbar von Autoren verlangt wird. Schließlich sind Schriftsteller doch eher selten klassische Bühnenmenschen und auch keine Comedians, die mit ihrem Bühnenprogramm gewohnt sind allein zu unterhalten. Dennoch ist Fitzek das super unterhaltend gelungen.
Gleich zu Beginn hat er von dem literarischen Psychologieexperiment berichtet, für dessen Teilnahme sich 20.000 Fans beworben haben, von denen dann letzten Endes acht ausgewählt wurden. Diese acht wurden eingeladen wenige Monate vor Erscheinen des Buches isoliert in einem Hotel (einem früheren Frauengefängnis^^) das Buch zu lesen. Zuvor mussten sie jedoch ihr Handy abgeben. Das fanden wohl einige zunächst nicht so toll, allerdings empfanden es im Nachhinein wohl alle Probanden als erholend endlich mal wieder konzentriert, so gänzlich ohne Ablenkung, ein Buch lesen zu können. Fitzek hat von dem Experiment auch ein Video mitgebracht, in dem wir Zuschauer die Probanden mitfiebern sehen konnten und auch, wie sie sich erschreckt haben. Und sind wir mal ehrlich: Wir alle lieben es, wenn Menschen sich erschrecken. Schadenfreue lässt grüßen. ;)
Insgesamt meint Fitzek, dass ihm häufig unterstellt wird ein bisschen abartig zu sein, einfach weil er solche Bücher schreibt. Er selbst ist aber der festen Überzeugung, dass seine Frau die eigentlich Abartige von den beiden ist. Sie ist es, die nie wegschaut und einen SAW-Teil nachdem anderen sehen kann, während Fitzek sich die Ohren zuhält (ja, richtig – die Ohren, nicht die Augen. Ohne Musik/Geräusche ist nämlich kein Film mehr gruselig^^).
Aber auch seine Kinder wissen so langsam, was für Geschichten er schreibt. Sie kennen zwar nicht die genauen Inhalte, um das zu lesen sind sie noch zu klein aber zumindest ist ihnen bewusst, dass Papa Gruselgeschichten schreibt. Und so haben sie mal verlangt, dass Papa doch eine Gruselgeschichte zum Besten geben soll. Fitzek erzählte also in Anlehnung an Stephen King von einem Mann mit grünen Augen im Schrank, was zur Folge hatte, dass die Kinder die nächsten Wochen nur noch zu dritt in einem Bett geschlafen haben. Daraufhin hat ihm seine Frau natürlich striktes Gruselgeschichten-Erzählverbot erteilt und das einzige, was zur Beruhigung beigetragen hat war ein Raumduft-Spray als Anti-Monsterspray getarnt. ;) Dieses sogenannte Anti-Monsterspray taucht in seinem neuen Buch „Der Insasse“ übrigens auch auf. ;)
Seine älteste Tochter hat sich mittlerweile auch schon am Schreiben probiert, als Nachwuchs-Autor Fitzek junior. Ihre erste Geschichte heißt in etwa „Der böse Weihnachtsmann und die gute Kuh“. Fitzek’s Tochter war nachdem Schreiben aber traurig, schließlich hat sie nicht so eine schöne Handschrift wie Papa, bei dem alles immer ganz akkurat in seinen Büchern aussieht. Nachdem sie dann erfuhr, dass der Papa mit dem Laptop schreibt und das Ganze dann gedruckt wird, verkündet die Kleine das erstmal direkt bei der nächsten Feier: „Der Papa, der schreibt seine Geschichten ja gar nicht selbst. Er ist nur ein Buchstabentipper.“ Schon verdammt süß diese Unterstützung der eigenen Familie, sagt Fitzek.
Fitzek wird immer wieder nach seinem Erfolg gefragt. Wo der Erfolg herkommt wollen die Menschen wissen. Doch ein Erfolgsgeheimnis hat er nicht. Er sagt klipp und klar, dass er einfach Glück hatte und man das als Autor nicht planen kann. Er hat jetzt das Glück von seinem Geschriebenen leben zu können, aber man sollte nicht aus dem Bestreben heraus Erfolg zu haben mit dem Schreiben beginnen. Wenn einem eine bestimmte Geschichte auf der Seele brennt lohnt es sich diese aufzuschreiben, in einem Buch zu verarbeiten. Man kann als Autor nicht planen, was in fünf oder sechs Jahren aktuell oder gewünscht ist (so lange dauert häufig die Veröffentlichung eines Buches bei einem Verlag, gerade bei der ersten Veröffentlichung). Beispielsweise wurde sein erstes Buch „Die Quote“ nie veröffentlicht, obwohl eine Publikation des Werkes fest geplant und bereits mit dem Verlag besprochen wurde inkl. Werbemaßnahmen. Pünktlich zu den Wahlen sollte das Buch erscheinen, doch durch den Rücktritt von Gerhard Schröder hat das Buch einfach nicht mehr gepasst, war nicht mehr zeitgemäß. Und somit erschien das Buch nie im Handel. Heute sagt Fitzek, das war auch gut so – Gerhard Schröder hat sozusagen maßgeblich zu seinem Erfolg als Thrillerautor beigetragen. Niemand hätte das Buch gewollt, es war schlecht. Und somit wurde „Die Therapie“ zu seinem ersten Buch, damals mit einer Auflage von 4.000 Stück erschienen. Fitzek kam das unglaublich viel vor. Doch sein Verlag nahm ihm schnell den Wind aus den Segeln, 4.000 Bücher bei 5.500 Buchläden in Deutschland macht noch nicht mal ein Buch pro Geschäft. Und dennoch wurde es ein Erfolg durch uns Leser, durch Mundpropaganda – sagt Fitzek.
Aktuell schreiben viele seiner Autorenkollegen über Serienmörder, d.h. der Mörder als Mittelpunkt der Rahmenhandlung (z.B. Dexter). Fitzek hat sich jedoch bewusst dafür entschieden das Hauptaugenmerk auf das Opfer zu legen. Wie geht eine Person, dessen Leben völlig unerwartet und grundlos durch eine brutale Tat aus den Bahnen gerät damit um? Was löst dieser Moment in einem Menschen aus? Das versucht er in seinen Werken zu beschreiben. Andere Autoren, wie zum Beispiel sein Kumpel Chris Carter legen den Fokus eher auf die Beweggründe des Mörders und auf die Ermittlungsarbeit. Hierbei hat Fitzek das Beispiel aus Chris Carter’s Lesung mit der Auseinandersetzung zweier Männer in einer Bar aufgegriffen, woraufhin der eine den anderen und seine ganze Familie sinnlos umbringt, nur weil sie ebenfalls zu Hause sind. Fitzek grenzt sich also im Vergleich zu vielen anderen Autoren darüber ab, dass er nicht versucht die Gründe für die Taten der Mörder zu fokussieren, sondern die Verhaltensweisen der Opfer auf Grund dieser Taten.
Foto aus Fitzek’s Vortragsfolien
Noch eine ganz interessante Randnotiz von gestern Abend: Fitzek recherchiert selbst für seine Bücher. Er beauftragt keine Recherchefirmen, wusste lange noch nicht einmal, dass es so etwas überhaupt gibt. Meistens merkt er während seiner Suche noch nicht mal, dass er recherchiert und hin und wieder greift er durch diese Suche auch ganz interessante beiläufige Dinge auf, die er zusätzlich in seine Bücher einbauen kann, auf die er vielleicht durch die Vergabe eines Rechercheauftrags nie gestoßen wäre.
Fitzek hat während seiner Lesung natürlich noch einiges mehr erzählt. Zum Beispiel hat er von der Verfilmung seines und Michael Tsokos Buches „Abgeschnitten“ berichtet und von seiner Reaktion auf die Falschmeldung eines Fans, der ihn als tot erklärt hat. Aufgegriffen hat er aber auch die versteckten Post-its in der ersten und dritten Auflage seines Buches „Der Seelenbrecher“, die wohl einige Leser ziemlich erschreckt haben. ;)
Insgesamt hat Sebastian Fitzek mich richtig gut unterhalten. Auch die ausgewählten Lesepassagen haben mir sehr gefallen. Wenn ich mich nicht verzählt habe, hat er vier Textpassagen mit voller Hingabe vorgelesen. Die waren extrem gut ausgewählt und aufeinander abgestimmt. Zwar unüblich für Lesungen aber dennoch hat Fitzek es getan: Er hat das Ende des Buches gelesen. Aber für alle, die demnächst noch vorhaben eine Lesung bei ihm zu besuchen: keine Panik, er hat nur Teile seiner Danksagung vorgetragen. ;)
Direkt nach seiner Lesung sind alle ins Foyer gestürmt. Dort stand Fitzek nämlich noch für Unterschriften und Fotos bereit, wofür ich mich natürlich ebenfalls angestellt habe und nach gut 1,5 Stunden auch ein unterschriebenes Werk von „Der Insasse“ in der Hand hielt. ;)